Ein Bericht von Angi
Der Bosporus rief…
..und drei Delphine folgten diesem Ruf. Bis wir allerdings im Wasser zwischen Asien und Europa schwimmen durften, ist einiges an Zeit, Nerven und Geld auf der Strecke geblieben.
Doch was ist das „Bospohorus Cross-Continal Swimming“ eigentlich? Eine 6,5 Kilometer lange Strecke vom Fährhafen des Stadtteils Kanlıca auf der asiatischen Bosporusseite in südlicher Richtung bis zum Cemil-Topuzlu-Park im Bezirk Kuruçeşme auf der europäischen Seite Istanbuls. Damit ist das Event der einzige Schwimmwettkampf weltweit, dessen Route über zwei Kontinente führt.
Angefangen hatte unser Abendteuer am 4. Januar 2020. Um Mitternacht türkischer Zeit ging die Registrierung los. Und da mussten wir uns ranhalten, denn 2019 waren die wenigen Plätze (nur 1.200 Stück) innerhalb von 29 Minuten vergriffen.
Tobias befand sich zu dem Zeitpunkt in irgendeinem Flugzeug, irgendwo über Asien. Somit übernahmen Jana und ich die Anmeldungen.
Pünktlich um 22 Uhr deutscher Zeit (00 Uhr türkischer Zeit) saßen wir mit zwei Laptops und einem iPad auf dem Schoß und versuchten uns anfangs noch auf der englischen Seite anzumelden. Da der Ansturm auf die Seite so groß war, dass wir immer wieder aus dem Anmeldeprozesss geflogen sind, probierten wir es schließlich über die türkische Seite. Die Fragen konnten wir mittlerweile auswendig. Als erstes war Jana gebucht und kurz darauf ich. Dann mussten wir nur noch Tobias unterbringen. Was gute 1.5 Stunden später und etliche umsonst ausgefüllte Formulare auch geklappt hat. Und noch bevor wir die Anmeldebestätigung erhalten haben, waren wir 260 € Startgeld los.
Nun mussten wir alle geforderten Unterlagen zusammensuchen und per Post an das türkische Olympische Komitee in die Türkei schicken:
- Ein sportärztliches Gesundheitsattest
- Beglaubigung vom Trainer, dass man in der Lage ist, eine Strecke von 6,5 km zu schwimmen
- Kopie des Reisepasses
- Passbild
Nun hieß es hoffen, dass der Brief auch ankommt, denn sollte er das nicht, weil man nämlich die Frist versäumte oder nicht alle Unterlagen komplett verschickt hat, dann war man raus und das Startgeld wäre in den Sand gesetzt. Aber wir hatten alle drei Glück. Unsere Papiere waren in Ordnung und wir konnten unsere Reiseplanung fortführen.
Naja, ‚wir‘ ist etwas übertrieben. Wenn man mit dem besten Reiseplaner der Welt befreundet ist, dann kann man sich auf Tobias verlassen. Flüge wurden gebucht, Hotels reserviert und Pläne geschmiedet.
Und dann kam Corona und wir bangten um unseren Start. Fast alle anderen Veranstaltungen wurden abgesagt und wir sahen unser Startgeld schon auf Nimmerwiedersehen im Bosporus wegschwimmen. Irgendwann wurden die Flüge storniert, aber das Komitee hielt an seinem Plan fest – und wir auch. Schließlich wurde das Event von Juni in den August verlegt. Kurz vor dem Abflug ging es dann noch einmal mit den neu gebuchten Flügen hin und her. Aus Donnerstagvormittag wurde -mittag und schließlich -abend. Kurz entschlossen buchten wir unseren Flug um einen tag im voraus um, so hatten wir noch etwas mehr von Land und Leuten.
Am Sonntag sollte der Wettkampf stattfinden und so flogen wir am Mittwoch den 19. August das letzte Mal vom Flughafen Tegel nach Istanbul. Ein wenig wehmütig waren wir schon, denn TXL gehört nun wirklich der Vergangenheit an. Aber dieses eine Mal durften wir noch abfliegen.
Wir landeten pünktlich in Istanbul. Auf einem der größten Flughäfen der Welt. Ich war wirklich beeindruckt. Da wir ziemlich spät landeten, war es angenehm leer im verlassenen Terminal. Nach einigen Einreiseproblemen und verloren gegangenen Nerven von Jana (sowohl Pass- als auch Zollkontrolle), suchten wir den Shuttlebus, der uns Richtung Hotel bringen sollte. Der Flughafen liegt außerhalb von Istanbul und somit ist die Fahrt mit viel Zeit verbunden. Aber nach einem kleinen Fußmarsch waren wir kurz nach Mitternacht in unserm Hotel. Wir hatten gleich einen tollen Blick über das nächtliche Istanbul und den Bosporus.
Tag 1
Den nächsten Tag gingen wir entspannt an. Nach dem Frühstück holten wir erst einmal unsere Startunterlagen. So konnten wir das Gelände schon ein wenig begutachten. Auch einen Blick vom Ziel Richtung Asien konnten wir werfen und fanden es ganz schön weit weg.
Anschließeng ging es mit dem Sightseeing los. Völlig verblüft waren wir von der Tatsache, dass fast 90% der Bevölkerung auch auf der Straße eine Maske trug, in Bussen und Bahnen jeder. Bevor wir ein Geschäft betraten, wurde ausnahmslos Fieber gemessen. Sogar beim Betreten des Hotels. Die Sicherheitsvorkehrungen waren wirklich enorm. So fühlten wir uns auch während der aktuellen Situation sehr gut aufgehoben.
Tag 2
Der Freitag begrüßte uns morgens mit Regen. Aber das konnte uns nicht ärgern, so frühstückten wir einfach etwas länger. Nachdem wir für Jana die Anzahl der Kamele ermittelt hatten, falls wir sie loswerden wollten, ging es los auf Moscheentour. Auf dem Plan standen die blaue Moschee und die Hagia Sophia. Beide sollten leider entgegen der Google Auskunft erst später am Tag öffnen, so wanderten wir weiter und schauten uns die Cisterna Basilika an. Dabei handelt es sich um spätantike Zisternen, die zwischen 532 und 542 im byzantinischen Konstantinopel als Wasserspeicher für den Großen Palast angelegt wurden. Sehr beeindruckend. Im Anschluss schlenderten wir über einen der größten Basare der Stadt und versuchten Jana im Gemenge nicht zu verlieren, jedenfalls nicht ohne Kamele! Nach einer kleinen Fährfahrt über den Bosporus, wo ich enttäuscht Ausschau nach Delphinen hielt, vorbei am Topkapi Palast, starteten wir erneut einen Versuch zur Besichtigung der zwei Moscheen. Diesmal hatten wir Glück und konnten verhüllt ins Innere vordringen. Anschließend ließen wir den Tag im Hotelpool ausklingen.
Tag 3
Der Samstag begann mit Sonne und einer gefühlten Luftfeuchtigkeit von 200%. Dies hielt aber weder Jana noch mich vom Laufen im nahegelegenen Park ab. Allerdings hatte ich nicht auf dem Plan, wie hügelig es werden könnte. Durchgeschwitzt aber glücklich ging es nach einer ausgiebigen Dusche zum wohlverdienten Frühstück. Unser heutiger Fußmarsch führte uns zum neuen Fernsehturm auf der asiatischen Seite von Istanbul, leider noch im Bau und somit geschlossen. Von dort aus ging es zur neusten und größten Moschee in der Türkei, der Camlica Moschee. Sie kann bis zu 63.000 Gläubige fassen. Die Moschee hat 6 Minarette, mit bis zu 107 m Höhe. Die Kosten werden auf 70 Millionen Euro geschätzt. Das Innere des Gebäudes war wirklich sehr beeindruckend. Und auch von außen hatten wir einen schönen Blick über Teile Istanbuls. Diese Stadt ist einfach riesig.
Am Abend stieg die Aufregung, zumindest bei mir. Jana und Tobias waren super relaxed.
Tag 1
Am Sonntag bewältigten wir den Weg zum Start mit dem Taxi, da wir pünktlich ankommen wollten.
Auf dem Gelände wurden in Dauerschleife Videos vom Kurs gezeigt und wie wir uns vor und nach dem Start zu verhalten haben. Es waren dieses Jahr aufgrund der vorgegebenen Hygieneregeln drei Boote vor Ort, die uns vom Ziel zum Start nach Asien bringen sollten. Jana war auf dem letzten Boot, Tobias und ich auf dem ersten. Ausschließlich in Badebekleidung, mit unseren Schwimmutensilien ausgestattet (Badekappe, Schwimmbrille) betraten wir unser Boot und ab ging die wilde Fahrt. Mit an Bord waren ein Teil der Kampfrichter, die immer wieder auf die Einhaltung des Mindestabstandes und die Maskenpflicht hinwiesen.
Unser Blick ins Wasser traf auf die türkisblaue Meerenge zwischen Asien und Europa. Unser Schiff legte nun als erstes an und wir mussten warten, bis die beiden anderen neben uns festgemacht wurden. Dann wurde am letzten Boot, welches nun das erste war das starten durfte, ein Ponton befestigt, die Startmatte ausgelegt und ab ins kühle Nass.
Wir waren ziemlich zum Schluss dran und tapperten von Boot zu Boot bis auf den Ponton. Kurz noch die Maske in die Ecke geworfen und die Brille aufgesetzt und dann stand man schon am Rand des Bosporus und musste springen. Am Anfang gelang es mir noch ganz gut bei Tobias zu bleiben, aber schon nach kurzer Zeit waren mehrere Schwimmer zwischen uns und so verlor ich ihn aus den Augen.
Nach dem Start sollten wir uns auf den gegenüberliegenden Brückenpfeiler konzentrieren und diesen ansteuern, bis wir die Mitte der Brücke erreicht hatten. Hier sollten wir in der Mitte der Brücke die Strömung und somit einen Temperaturunterschied bemerken. Nun ja, ich für meinen Teil hab das alles nicht mitbekommen. Ich habe lediglich versucht nicht zu sehr an den Rand zu kommen, da es dort gefährliche Strömungen geben sollte.
Nachdem wir die Mitte der Brücke erreicht hatten, sollten wir schwimmend auf einen Telefonmast zusteuern und von dort wieder die Mitte der nächsten Brücke. Dann sollte das Ziel in Sichtweite sein. Ich für meinen Teil habe mich strickt an diese Anweisungen gehalten und kollidierte nur kurz vor dem Ziel mit einem Brett und Essensresten im Wasser. Ansonsten war der Bosporus wirklich sauber und das Schwimmen sehr angenehm. Im Ziel angekommen wurden uns sofort die Transponder abgenommen, gegen ein Handtuch getauscht und sofort Masken, Müsliriegeln und Wasser gereicht.
Ich fand Jana und Tobias am verabredeten Treffpunkt. Wir erzählten uns aufgeregt unsere persönlichen Eindrücke vom Wettkampf und warteten auf unsere Ergebnisse.
Tobias hat uns alle locker in die Tasche geschwommen. Nach nur 58:49 min stieg er von uns als Erster aus dem Wasser, gefolgt von Jana mit 1:01:54 min. Das Schlusslicht bildete diesmal ich mit 1:05:30 min. Tobias wurde in seiner AK 16., Jana 10. und ich 9. Wir alle können wirklich stolz auf unsere Leistung sein. Schließlich sind wir das erste Mal von Asien nach Europa geschwommen!
Nach einer kurzen Ruhepause machten wir uns auf den Weg zum vorgeschriebenen Corona-Test. Nur mit einem negativen Testergebnis, welches nicht älter als 48 Stunden sein durfte, hätten wir am nächsten Tag die Heimreise antreten können. Wir suchten uns ein Krankenhaus in Hotelnähe und waren noch sehr guter Hoffnung. Allerdings war die Privatklinik der Meinung, sie könne sich mit Hilfe von deutschen Touristen ihre neue Herz-Lungen-Maschine finanzieren. Im Internet hatten wir von Kosten um die 16 € gelesen. Hier wollte man von uns 250 € kassieren. Wohl gemerkt pro Person. Also schnappten wir uns unsere sieben Sachen und fuhren in die nächste Universitätsklinik. Dort erfuhren wir, es werden nur eigene Patienten getestet und auf keinen Fall deutsche Touristen. Nach dieser Pleite machten wir uns halt wohl oder übel auf den langen Weg zum Flughafen. Dort gibt es ein Testzentrum, bei dem wir ‚nur‘ 250 türkische Lira zahlen mussten, was umgerechnet knapp 30 € waren. Nach gut einer Stunde Wartezeit wurden wir getestet und waren schnell wieder mit dem Shuttlebus auf dem Weg zum Hotel. Nun waren wir wirklich kaputt. Morgens schwimmen und dann eine kleine Odyssee durch Istanbul. Keine 3 Stunden später hatten wir online unser negatives Testergebnis. Wir durften also am nächsten Tag ausreisen.
Abreise
Auch der letzte Morgen startete entspannt mit einem ausgiebigen Frühstück, bevor wir uns einmal mehr auf den Weg zum Flughafen machten. Und wir wurden wirklich vor dem Abflug zweimal auf unsere Testergebnisse geprüft.
Das Event hat uns so gut gefallen, dass wir uns sehr gut vorstellen können, es noch einmal in Angriff zu nehmen. Außerdem habe ich ja noch eine Revanche mit Tobias offen….
Angi