Wie verliere ich die Angst vor dem Freiwasser?

Ein Bericht von Angi

Nach der Saison ist vor der Saison…..
Die Freiwassersaison ist mit unserem Wettkampf am Chiemsee wettertechnisch sehr versöhnlich zu Ende gegangen und schon planen wir für 2022….

Da man bei einigen Wettkämpfen durch eine frühzeitige Anmeldung Geld bei den Startgeldern sparen kann, haben Tobias und ich uns bereits für die nächste Chiemsee Querung angemeldet.

Für einige von euch bestimmt unvorstellbar, sich fast ein Jahr im Voraus festzulegen, aber nicht nur der finanzielle Anreiz für uns ist gegeben, sondern auch die begrenzte Anzahl an Startplätzen. Dies war auch schon vor Corona der Fall. Nur der frühe Vogel fängt den Wurm, bzw. nur der entscheidungsfreudige Freiwasserschwimmer bekommt einen Startplatz. Viele Veranstalter starten am 01. Januar des Jahres mit dem Öffnen ihrer Anmeldeportale, einige gleich im Anschluss in den ersten Wochen des neuen Jahres.

Da heißt es, sich frühzeitig an die Jahresplanung zu setzen und schon einmal zu überlegen:

  • Wo möchte ich schwimmen?
  • Welche Strecken passen für mich?
  • Fühle ich mich im See oder Meer wohl?
  • Und was für einige noch viel elementarer ist: Wie verliere ich die Angst vor Freiwasser?

Mein erster Freiwasserwettkampf liegt inzwischen schon sieben Jahre zurück. Angefangen habe ich mit dem Freiwasser, als Tobias mich 2015 fragte, ob wir vielleicht einmal was anderes machen wollen und so zauberte er die Müritzquerung von Ecktannen nach Waren aus dem Hut. Es hieß 1950 m in der Müritz zu bewältigen.
Aber gehen wir einen Schritt zurück. Bis dahin war ich ein reiner Beckenschwimmer. Plantschen im See oder Meer… natürlich, aber dort schwimmen und einige Kilometer zurücklegen? Das war bis dahin nicht mein Plan. Und dann kam die Option Müritzschwimmen.

Unser Haussee liegt uns direkt am Vereinsgelände zu Füßen. Der Plötzensee ist mit einer Länge von 740 m und einer Breite von 150 m, bei einer maximalen Wassertiefe von 7 m ein idealer Einstieg ins Freiwassertraining. Kilometer schrubben kann man im Becken und das taten wir auch. Dazu kamen die Einheiten im Plötzensee.

Trotz Schwimmbrille beträgt die Sichtweite wenige Meter, an manchen Tagen auch nur Zentimeter. Die Wassertemperatur schwankt mehrfach auf der Trainingsstrecke. Man erkennt Schatten im Wasser und überlegt, was es sein könnte. Im See leben, zum Glück für die Natur, viele Fischarten und seit einigen Jahren auch Schildkröten. Alle haben vor uns mehr Angst, als wir vor ihnen. Eines Tages durfte ich auch Herrn Biber kennenlernen. Zum Glück saß ich da nach dem Schwimmen schon auf dem Steg in der Sonne, als sein imposanter Schädel direkt vor mir aus dem Wasser auftauchte. Ich hatte es mir in der Zeit zur Angewohnheit gemacht, immer morgens, wenn noch keine anderen Badegäste dort waren, vor der Arbeit schwimmen zu gehen. Eigentlich ist man dort nie alleine, da von der freien Seite immer ein paar Wildbader so früh unterwegs sind. Und das ist auch gut so. Man sollte immer jemandem Bescheid geben, dass man ins Wasser geht und zusätzlich mit Boje schwimmen. Diese hält einen im Notfall oben, aber in erster Linie wird man vom Ufer aus immer super gesehen. Im Becken ist immer ein Rettungsschwimmer zur Stelle, beim Schwimmen im Freien eher selten. Daher sollte man sich immer selber um seine Sicherheit kümmern. Am besten nimmt man einfach einen Trainingspartner mit. Es ist auch viel lustiger, wenn man nicht alleine ist. Wenn man kein Freund von Wasserbewohnern ist, ist in einer Gruppe das Wissen um diese auch viel einfacher zu ertragen. Es sollte einem jederzeit bewusst sein, dass alle Tiere in unseren heimischen Gewässern völlig harmlos sind und den Kontakt zu uns scheuen. Enten und Schwäne sehen uns nicht als Bedrohung, da von uns ja nur der Kopf aus dem Wasser schaut und so kreuzt dieses schwimmende Federvieh manchmal sehr nahe unsere Bahnen.

Alles verängstigt dich eher, als dass es dich ermutigt, ins Freiwasser zu gehen? Dann stell dir mal die Ruhe im See vor. Den lautlos über den See kreisenden Reiher. Die Sonne, die dich bei jedem deiner Züge begleitet. Die freie Sicht in alle Richtungen, ohne dass du, wie oft im Schwimmbad, gleich mit jemandem zusammenstößt. Kein strenger Chlorgeruch in der Nase. Überall säumen die Bäume den See und du kannst sehr oft die Greifvögel hören und sehen. Dieses einzigartige Schauspiel der Natur entgeht dir in der Halle. Was machen da die paar Algen, die dir zum Ende des Sommers etwas häufiger begegnen?

Wir haben um Berlin rum eine Vielzahl von Seen, die glasklar sind. Wer also lieber sieht, was unter einem schwimmt, der ist z.B. am Liepnitzsee oder am Wandlitzer See gut aufgehoben. Dort kann man dann auch längere Strecken zurücklegen. Im Plötzensee muss man schon drei-, viermal hin und her schwimmen, um eine akzeptable Trainingsstrecke zu absolvieren.

Ab welchem Monat kann man in den See? Als die Hallen geschlossen hatten, entschieden wir uns bereits im März ins kühle Nass zu springen. Bei einer Wassertemperatur von 14° C ist dieses nur im Neo empfehlenswert. Es gibt sehr gute preiswerte Modelle für Einsteiger bei einem Sportartikelhändler mit blauer Schrift. Auch sind zwei Badekappen empfehlenswert, da man über den Kopf die meiste Wärme verliert. Natürlich kann man auch mit Neoprenschuhen und -handschuhen schwimmen, aber es ist nicht zwingend notwendig. Das erste Mal den Kopf ins Wasser zu tauchen, wenn es so kalt ist, kostet schon sehr viel Überwindung. Aber nach ein paar Minuten hat man sich an die Kälte gewöhnt und dann ist man stolz, dass man sich aufgerafft hat. Beim Start in die Freiwassersaison sollte einem bewusst sein, dass man nicht gleich 3 km zurücklegt. Erstens kühlt man trotz Neopren aus, zweitens sind die Bewegungen eingeschränkt und daher ungewohnt. Also lieber langsam starten und immer peu à peu etwas steigern, als es gleich zu übertreiben und dann die Lust zu verlieren.

Wenn die Luft- und Wassertemperaturen langsam steigen, dann kann man von einem langen Neo (lange Arme und Beine) auf einen kurzen (kurze Arme und ggf. auch kurze Beine) umsteigen. Auch ist irgendwann die zweite Badekappe nicht mehr notwendig.

Im Freiwasser muss man versuchen, öfter mal den Kopf nach vorne zu heben. Das kann man immer wieder durch Wasserballkraul üben. Dazu wird der Kopf gerade nach vorne so weit aus Wasser gehoben, dass man auch so atmen kann. Für spätere Freiwasserwettkämpfe ist es notwendig, damit man die teilweise weit vor einem liegenden Bojen sieht und so seinen Kurs daran orientiert. Auch kann es sehr hilfreich sein, wenn man gerade schwimmt. Sonst legt man unnötige Strecken zurück. Dafür sollte man mit einer 3’er oder 5’er Atmung schwimmen.

Auch sollte einem bewusst sein, dass der See Süßwasser enthält und sobald man in die Ostsee geht, wird das Wasser salzig. Auch Wettkämpfe wie z.B. in Rostock beim Warnowschwimmen, sind gewöhnungsbedürftig, da sich dort Salzwasser von der Ostsee mit Süßwasser aus der Warnow mischt. Aber gerade deswegen und weil die Strecken mit 500 m oder  2,2 km übersichtlich sind, ein guter Einstieg fürs Schwimmen im Meer.

Da Freiwasser meist über längere Strecken geht, sollte man auch das geübt haben und wissen, wie reagiert mein Körper. Muss ich vorher mehr trinken? Brauche ich Magnesium um Krämpfen vorzubeugen? Bananen sind u.a. sehr hilfreich, auch Energieriegel. Versucht euch aber lieber im Training aus, dann wisst ihr, was ihr am Wettkampftag auch vertragt.

Für den Einstieg ins Freiwasser empfehle ich einen Wettkampf in einem See (Süßwasser), wo der Wellengang mäßig oder nicht vorhanden ist. Dort gibt es keine Quallen und höchstens Fische, die Reißaus nehmen können. Auch sollte ein Strecke gewählt werden, die man locker bewältigen kann. Wenn man in der Halle 2 bis 3 km in der Stunde locker schwimmt, dann kann man sich ruhig an 1,5 km bis 2 km im Freiwasser wagen.
Beim Start kann es kuschelig eng werden und man bekommt Tritte an Körperstellen, die man vorher nicht mit dem Schwimmen in Verbindung gebracht hat. Den Massenstart, der die Regel im Freiwasser ist, kann man auch in der Halle üben. Sucht euch zwei, drei andere, die neben euch auf der Bahn schwimmen. Immer auf gleicher Höhe. Schwimmt auch mal eine Bahn ohne Brille, damit ihr nicht in Panik verfallt, wenn diese euch beim Start wegrutscht.

Ich hoffe, ich habe dem einen oder anderen Lust gemacht, einmal ins Freiwasser zu springen. Wer noch Fragen hat, der kann sich gerne an Tobias oder mich wenden. Ich denke, mit unseren 13 Starts in diesem Jahr gelten wir als ‚mit allen Wassern gewaschen‘!

Angi